114.

Das Schicksal gibt kein Zeichen mir

Von meines Freundes Munde:

Von dem verhüllten Räthsel gibt

Das Glück mir keine Kunde.

Mich tödtet Sehnsucht, denn dies Thor

Ist nimmer zu erreichen,

Und wär's erreichbar auch, so gibt

Der Pförtner mir kein Zeichen.

Für einen einz'gen Kuss von Ihm

Gäb' willig ich mein Leben:

Doch nehmen will Er dieses nicht,

Und jenen auch nicht geben.

Der Ost berührt Sein Haar; o sieh

Des niedrigen Himmels Schalten:

Das was dem Winde er gewährt,

Muss mir er vorenthalten!

Wenn auch den Rand nach Zirkelart

Umkreisen meine Schritte,

Lässt mich das Loos, dem Punkte gleich,

Doch nimmer in die Mitte.

Durch die Geduld gelänge ich

Zum Zucker wohl am Ende,

Wenn nur der Zeiten Tücke sich

Zu läng'rer Frist verstände.

Ich sprach: »Den schönen Freund zu schau'n

Will ich nun schlafen gehen.«

Allein Hafisens Ach und Weh

Lässt Ruhe nicht bestehen.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 599-601.
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