124.

Welch' ein Lärm, o Herr, brach Morgens

In dem Gau der Schenke aus?

Liebchen, Schenke, Licht und Fackel,

Alles war in Saus und Braus;

Man besprach sich über Liebe,

Die nicht Zeichen braucht noch Schall.

Bei der Flöte sanften Klage

Und der Pauke lautem Hall.

Was in jenem tollen Kreise

Man Erwähnungswerthes fand,

War erhaben über Schulen

Und gelehrter Fragen Tand.

Dankbar ist mein Herz dem Schenken

Für die Freundlichkeit des Blick's:

Doch beklagt es sich ein wenig

Über Ungunst des Geschick's.

Jenes kühne Gauklerauge

– Analogisch schliesse ich –

Führte Tausende von Zaub'rern,

So wie einst Sămīr mit sich.

»Weise – sprach ich – meiner Lippe

Nur ein einz'ges Küsschen an!«

Lächelnd sprach Er: »Hast du jemals

Ähnliches mit mir gethan?«

Glück lässt mein Gestirn mich hoffen,

Weil ich gestern Abends fand,

Dass dem Monde gegenüber

Meines Freundes Wange stand.

Freundesmund heilt alle Schmerzen,

Meinte stets Hafis; allein

Als dies Mittel ich versuchte,

War's, o Jammer, gar so klein!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 621-623.
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