125.

Ein paar Gläser fand ich gestern

Unverhofft zur Morgenstunde,

Und der Wein in ihnen schmeckte

Süss mir, gleich des Schenken Munde.

Zu dem holden Weibe: »Jugend,«

Das ich lange schon verstossen,

Wollt' im Rausch ich wiederkehren:

Doch die Scheidung blieb beschlossen.

Fern von jenem trunk'nen Auge

Wollt' ich einen Winkel finden:

Aber seine krumme Braue

Machte die Geduld mir schwinden.

Traumausleger, deute Gutes!

Theilte doch mit mir die Sonne

In des Morgens süssen Schlummer

Gestern des Vereines Wonne.

Wo ich je noch hingekommen

Auf des Pfades Stationen,

Mussten Heil und Augenspiele

Immer abgesondert wohnen.

Reich' mir Glas auf Glas, o Schenke,

Denn die auf dem Pfade wallen

Und nicht liebend hingekommen,

Sind der Heuchelei verfallen.

Eben als die Hand Hafisens

Dieses wirre Lied geschrieben,

Wurde sein Gedankenvogel

In der Sehnsucht Netz getrieben.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 623-625.
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