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Nichts ab billig ist es, sehnet

Sich mein Herz nach Moschuswein;

Denn nicht guten Duft verhauchen

Gleissnerei und frommer Schein.

Wenn mir auch die ganze Erde

Das Gefühl der Liebe wehrt,

Werd' ich doch nur immer handeln,

Wie's des Herrn Geheiss begehrt.

Hoffe auf der Gnade Segen,

Denn die Grossmuth und die Huld

Blickt mit Nachsicht auf die Sünde

Und verzeiht der Liebe Schuld.

In dem Ringe des Gebetes

Weilt mein Herz und hofft dabei

Von des Freundes Lockenhaare,

Mache bald ein Ring sich frei.

Du, dem Schönheit Gott gegeben

In dem Brautgemach der Gunst,

Brauchst du erst geschmückt zu werden

Durch der Kräuslerinnen Kunst?

Hold und schön ist Luft und Wiese,

Rein und lauter ist der Wein;

Was nunmehr noch nöthig wäre:

Ist ein frohes Herz allein.

Diese Welt – magst du's bedenken –

Ist zwar eine schöne Braut,

Aber dies verhüllte Mädchen

Ward noch keinem angetraut.

Von Zipressen und von Tulpen

Bleibt dies grüne Feld nie leer:

Ist die Eine hingegangen,

Kömmt die And're wieder her.[635]

Frag' um meine Bettlersitten

Nicht das Herz und blick' um dich:

Denn von jedem Ding auf Erden

Zeigt das Bild im Spiegel sich.

Scherzend sagt' ich Ihm: »Was wär' es,

Mondeswange, schenktest du

Diesem herzenswunden Manne

Durch ein Bischen Zucker Ruh'?«

Lachend sprach Er: »Gott zu Liebe,

Freund Hafis, gestatte nicht,

Dass ein Kuss von dir beflecke

Je des Mondes Angesicht.«

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 633-637.
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