131.

Der Ostwind brachte süssen Duft

Vom Freundeshaar zur Morgenzeit;

Er brachte das so volle Herz

Mir neuerdings in Thätigkeit.

Ich riss mir jenen Pinienzweig

Aus meines Busens Gartenflur:

Denn jeder Blüthe Seines Gram's

Entspross die Frucht der Leiden nur.

Aus Furcht vor Seiner Liebe Raub

Ergriff mein blut'ges Herz die Flucht;

Doch Blut vergoss es auf dem Weg',

Und seine Spur ist's, die Er sucht.

Es hat der Mond – ich sah es klar

Vom Dache, das Sein Lustschloss deckt –

Aus Scham vor jenem Sonnenlicht

Sich hinter eine Wand versteckt.

Des Sängers und des Schenken Wort

Lockt mich zuweilen vor das Thor:

Denn schwer dringt auf der rauhen Bahn

Der Bote einer Nachricht vor.

Geschenke meines Seelenfreund's

Sind laut're Huld und Gnade nur:

Er spende einen Rosenkranz,

Er bringe eine Christenschnur.

Es lohn' es Seiner Braue Gott!

Denn ob sie gleich mich schwach gemacht,

So hat sie doch durch Freundlichkeit

Auch Trost dem kranken Mann gebracht.

O frohe Zeit, in der das Herz

Sich Seines Haares Knotenband

Entzog und so ein Werk vollbracht,

Das selbst des Feindes Beifall fand.[641]

Der Ostwind, weil er Eifersucht

Vor meines Freundes Haar verspürt,

Schlug allen Moschus in den Wind,

Den er der Tatarei entführt.

Ich staunt', als gestern bei Hafis

So Glas als Becher ich gewahrt;

Allein ich stritt darüber nicht:

Bracht' er sie doch auf Ssofiart.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 639-643.
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