132.

Wer Ruhe des Gemüth's besitzt

Und einen zarten Freund,

Dem Glücke hat er sich gesellt,

Der Seligkeit vereint.

Des Liebesheiligthumes Thron

Reicht über den Verstand

Und seine Schwelle küsset nur

Wer Muth zum Sterben fand.

Wohl scheint das Siegel Salomon's

Sein enger, süsser Mund:

Beherrscht ja Sein Rubinenring

Das ganze Erdenrund.

Von Moschus hat Er einen Flaum

Und Lippen von Rubin;

Und da er dies und jenes hat,

So schwärme ich für Ihn.

So lang du auf der Erde weil'st,

Benütz' die Kräfte gut,

Da viele Unkraft durch die Zeit

Tief in der Erde ruht.

O Reicher, blick' verachtend nicht

Die schwachen Dürft'gen an:

Den ersten Platz im Ehrensaal

Hat ja der Bettelmann.

Der Seele und des Leibes Noth

Wird durch's Gebet gelähmt:

Wem frommt die Garbe, wenn sie sich

Des Ährenlesers schämt?

Erkläre, Ostwind, mein Gefühl

Dem Schönheitsfürsten du,

Ihm, der da hundert Sklaven zählt

Wie Dschem und Kjĕïchŏsrū;

Und sagt er: »Keinen armen Freund,

Hafisen gleich, will ich,«

So sprich: »Wohl setzt ein Sultan auch

Zu einem Bettler sich.«

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 643-645.
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