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Hafis, der einsam pflegt zu weilen,

Ging gestern nach der Schenke hin:

Gern gab er auf was er beschlossen,

Und nach dem Becher stand sein Sinn;

Ihm war erschienen ja im Traume

Das holde Liebchen: »Jugendglück«

Und wahnsinngleiche Liebe kehrte

In sein ergrautes Haupt zurück;

Als, Herz und Glauben überfallend,

Ein Kind des Wirth's vorüber schritt,

Da folgt' er, fremd für alles And're,

Nur jenes Wohlbekannten Tritt.

Es hat der Rosenwange Feuer

Des Sprossers Garbe aufgezehrt,

Das lachende Gesicht der Kerze

Dem Falter Unglück nur beschert.

Mein Weinen Abends und am Morgen

War nicht verloren, Gott sei Dank,

Weil jeder Tropfen meines Regens

Als selt'ne Perle niedersank.

Der tolle Ssofi, der da gestern

Den Becher und das Glas zerschlug,

Ward durch ein einz'ges Schlückchen Weines

Des Abends wieder weis' und klug.

Da das Narzissenaug' des Schenken

Den Zaubervers zu beten scheint,

So ward zur zaub'rischen Versammlung

Der Ring, der zum Gebet uns eint.

Es wurde jetzt Hafisens Wohnung

Zum kaiserlichen Festgemach:

Da ging das Herz dem Herzgeliebten,

Dem Seelenfreund die Seele nach.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 673-675.
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