146.

Mit entglühter Wange kam Er

Gestern Abends hergerannt:

Hat Er einem Gramerfüllten

Abermals das Herz verbrannt?

Das Ermorden des Verliebten

Und der Aufruhr einer Stadt,

Kleider sind's, die Seinem Wuchse

Trefflich angepasst Er hat.

Rautenkraut für Seine Wange

Scheint die Seele die Ihn liebt,

Sie, durch die er hell'res Feuer

Seinem Angesichte gibt.

Seiner Locken finst'rer Glaube

Fiel den wahren Glauben an

Und das Wangenlicht erhellet

Jenes Marmorherzens Bahn.

Blut errang mein Herz in Menge,

Doch das Aug' vergoss es dann:

Gott, o Gott, wer hat verloren,

Und wer war es der gewann?

Nicht um eine Welt verkaufe

Du den Freund; zu Schaden kam

Wer um schnödes Geld den Joseph

Zu verkaufen unternahm.

Sprach Er gleich: »Ich will dich schmählich

Tödten«, sah ich dennoch klar,

Dass Sein Blick mir Herzverbranntem

Heimlich zugewendet war.

»Wirf, Hafis, die Kutt' in's Feuer!«

Sprach Er hold, und hiess mich geh'n.

Wer, o Herr, hat Ihn gelehret

So auf Herzen sich versteh'n?

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 679-681.
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