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Nach deiner Lippe sehnet

Das Herz sich gar so sehr,

O Herr, und deine Lippe

Was gab sie ihm bisher?

Den süssen Trank der Liebe,

Den Wein der Sehnsucht giesst

In's Herzensglas die Seele,

Bis dass es überfliesst.

Es hat die düst're Sehnsucht

Nach meines Freundes Haar

Im Netz des Missgeschickes

Ihr Wohnhaus immerdar.

Um sich ein Herz zu fangen,

Wirft Er mit schlauem Sinn

Ein Netz von zarten Veilchen

Auf eine Rose hin.

War es am Ende schicklich,

Dass ich die Frage that,

Was jener Herzensräuber

Für einen Namen hat?

Setzt je zu einem Freunde

Sich Jener traulich hin,

Dem Hohe oder Nied're

Beschädigen den Sinn?

O des beglückten Herzens,

Das morgen so wie heut

Der wonnigen Gesellschaft

Des Freundes sich erfreut!

Hafis, wie hoch entzückend

Ist ein gesell'ger Kreis,

Der, was zur Lust gehöret,

So ganz zu bieten weiss!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 683-685.
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