156.

Meine Liebe ist kein Schwindel,

Den man aus dem Kopfe treibt,

Und kein Zufall meine Freundschaft,

Die dir unverändert bleibt.

Tief im Herz und Busen wohnen

Lieb' und Freundschaft mir zu dir,

Weichen, mit der Milch gesogen,

Mit der Seele nur von mir.

Eine Krankheit ist die Liebe,

Und je eifriger du dich

Sie zu heilen wirst bemühen,

Um so schlimmer zeigt sie sich.

Bin der Erste unter Jenen,

Die der Liebe Klageton

Hier in dieser Stadt allnächtlich

Senden zu des Himmels Thron.

Liess' ich alle meine Thränen

Fliessen in den Sīndĕrūd,

Ganz Irāk's verdorrte Saaten

Grünten frisch durch ihre Fluth.

Gestern in der Locken Mitte

Sah des Holden Wange ich:

So nur lagern finst're Wolken

Um den Mond im Kreise sich;

Und ich sprach: »Beginnen will ich

Mit dem Kuss.« Da sprach Er: »Nein;

Lass doch aus dem Skorpione

Erst den Mond getreten sein.«

Trinkst du Wein Hafis und denkest

Du dabei an Seinen Mund,

O so sorge, dass den Gegnern

Dies ja nimmer werde kund!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 701-703.
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