162.

Früh, als des Ostens Fürst die Fahne

Aufpflanzte auf der Felsenwand,

Da pochte an des Hoffers Pforte

Mein Freund mit des Erbarmens Hand.

Als es dem Morgen klar geworden,

Wie's um des Himmels Liebe steht,

Da kam er und verlachte alle,

Die sich im Glücke stolz gebläht.

Als sich mein Holder gestern Abends

Im Saal erhob zu Tanz und Scherz,

Da löst' er seiner Haare Knoten

Und schlang sie um der Freunde Herz.

Ich wusch mir von des Heiles Farbe

Die Hände rein im Herzensblut,

Sobald Sein weinerfülltes Auge

Die Nüchternen zur Tafel lud.

Welch' Eisenherz hat Ihn gelehret,

Auf solche Art verschmitzt zu sein?

Stürzt' Er am Ersten doch auf Jene,

Die Nachts sich dem Gebete weih'n.

An einen Königsreiter dachte

Das arme Herz und eilte fort:

Wer auf das Herz der Reiter zielet,

Den schütze du, allmächt'ger Hort!

Blut trinkend, opferten wir Seelen

Für Seiner Wange Glanz; doch Er

Stiess, als Er Seinen Zweck erreichte,

Zurück der Seelenopf'rer Heer.

Wie könnte ich in woll'ner Kutte

Mit einem Fallstrick Jenem nah'n,

Der, panzerhaarig, mit der Wimper

Selbst hin auf Mörder stürzen kann?[715]

Auf des Monarchen günst'gem Würfel

Und seinem Segen weilt mein Blick:

Erfüll' den Herzenswunsch Hafisens,

Denn es versprach sein Loos ihm Glück.

Ein sieggekrönter König pranget

Schĕdschâ'ŭ mülk ŭ dīn Mănssūr:

Sein Grossmuthsinn verlacht die Wolke,

Wenn sie im Frühling tränkt die Flur.

Seitdem durch seine Hand der Becher

Geadelt wurde und geehrt,

Hat das Geschick das Glas der Freude

Auf aller Trinker Wohl geleert;

Aus seinem gold'nen Schwerte blitzte

Der Sieg, als er, sich selbst genug,

So wie der Sonne Licht die Sterne,

Zu Tausenden die Feinde schlug.

Herz, bitte Gott um seines Lebens

Und seines Reich's Beständigkeit!

Es schlug ja dieses Hofes Münze

Der Himmel für die Ewigkeit.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 713-717.
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