28.

Des Kummers werth nicht Einen Augenblick

Ist Alles was die Welt enthält an Glück.

Verkaufe du mein Mönchsgewand für Wein,

Denn Besseres kann nimmer werth es sein.

Gefesselt an des Freundes Heimathland

Fühlt sich der Mensch wie an ein Kettenband;

Was könnt' mir sonst an Fars gelegen sein,

Das ganz und gar nicht werth ist solcher Pein.

Bei keinem Weinverkäufer nähme man

Nur für ein einz'ges Glas den Teppich an.

Ein schöner Tugendteppich in der That,

Der nicht den Werth nur Eines Bechers hat!

Der Nebenbuhler warf mir Manches vor

Und sprach: »Entferne dich von diesem Thor!«

Was traf mein Haupt denn für ein harter Schlag,

Dass es des Thürstaub's nimmer werth sein mag?

Wasch' diese Kutte der Engherzigkeit,

Denn auf dem Markte der Einförmigkeit

Sind Lappen – mögen noch so bunt sie sein –

Doch nimmer werth das was der rothe Wein.

Die Seefahrt schien gar leicht im Anbeginn,

Als noch die Hoffnung lockte auf Gewinn;

Doch nein, für den, der solchen Sturm erfährt,

Sind hundert Perlen zu gering an Werth.

Die Herrscherkrone, furchtbar anzuschau'n

Und vollgefüllt mit Seelenangst und Grau'n,

Ist eine Mütze zwar, die Lust gebiert,

Doch nimmer werth, dass man das Haupt verliert.

Am Besten ist's, du zeigst dein Angesicht

Den Männern, die nach dir sich sehnen, nicht:

Der Welterob'rung Lust ist nimmermehr

Der Sorge werth für so ein grosses Heer.

Streb', wie Hafis, nach der Genügsamkeit,

Nicht achtend was die nied're Welt verleiht:

Ein Körnchen Huld von Niedrigen beschert

Ist nicht zweihundert Metzen Goldes werth.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 373-375.
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