35.

Leg' ich die Hand Ihm an das Haar,

Geräth Er gleich in Brand;

Begehr' ich, dass Er freundlich sei,

Ist Er zu schmäh'n im Stand.

Dem Neumond ähnlich, tritt Er hin

Auf des Beschauers Bahn:

Die Brauenwinkel zeigt Er nur

Und ach, verhüllt sich dann.

Nachts, wenn wir trinken, macht Er mich

Durch's Wachen wüst; allein

Trag' ich Ihm Nachts ein Mährchen vor,

So schläft Er ruhig ein.

Voll Wirren und voll Truges ist,

O Herz, der Liebe Pfad:

Zu Boden fällt, wer diese Bahn

Mit zu viel Hast betrat.

Beginnt in eines Bläschens Haupt

Des Hochmuth's Wind zu weh'n,

Wird seine Herrschermütze bald

In Weinlust untergeh'n.

Herz, alterst du, dann prahle nicht

Mit Liebenswürdigkeit:

Denn diese Art zu handeln passt

Nur für die Jugendzeit.

Des schwarzen Haares schwarzes Buch,

Schliesst es sich unverhofft,

Vertreibt das Weisse nimmer man,

Versucht man's noch so oft.

Dem Betteln an des Liebling's Thor

Entsage um kein Reich:

Man tritt vom Schatten dieses Thor's

In's Licht der Sonne gleich.[395]

Des Treubruch's schuldig hieltst du mich,

Doch ich besorge sehr,

Der Vorwurf trifft am jüngsten Tag

Gerade dich gar schwer.

Ein Hemmniss auf dem Liebespfad

Bist du, Hafis; d'rum: Auf!

Beglückt wer ohne Hemmniss stets

Folgt dieses Pfades Lauf!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 393-397.
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