36.

Rechtgläubige! Ich hatte

Dereinst ein treues Herz

Und ihm allein vertraute

Ich jeden herben Schmerz:

Ein Herz war's voll Erbarmen

Und ein erfahr'ner Freund,

Der Keinem, der da fühlte,

Je seinen Schutz verneint.

In jedem Unglück war es

Für mich verwirrten Mann

Ein kundiger Gefährte,

Ein tüchtiger Gespann;

Und riss in einen Wirbel

Das Auge mich hinab,

War's nur sein Rath, der Hoffnung

Mir auf das Ufer gab.

Im Gau des Seelenfreundes

Hab' ich's zuerst vermisst:

O Herr, wie so gefährlich

Doch dieser Wohnort ist!

Indem ich es verfolgte,

Verstreut' ich Perlen; doch

Mit ihm mich zu vereinen

Gelang mir nimmer noch.

Verdienste haben immer

Den Mangel im Geleit:

Doch arm, wie ich, war nimmer

Ein Bettler weit und breit;

Und dieser trunk'ne Wirre

Fleht Euer Mitleid an;

Er war ja einst ein weiser

Und ein vollkomm'ner Mann.[399]

Seit ich, belehrt durch Liebe,

Das Wort zu führen weiss,

Ward, was ich sprach, zur Würze

In jedem trauten Kreis.

Bring' von Hafisens Weisheit

Kein weit'res Wörtchen vor:

Er war – ich sah es selber –

Nichts als ein arger Thor.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 397-401.
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