44.

Schenke! Von Zipressen, Rosen

Und von Tulpen plaudert man:

Dreimal ausgeleerte Becher

Schliessen sich der Rede an!

Trinke, denn die Braut der Wiese

Steht am Schönheitsziele nun

Und die Kunst der Kräuslerinnen

Hat für heute nichts zu thun;

Wie doch jeder Inder-Psittich

Gar so gern den Zucker pickt,

Der erzeugt aus Perser-Kandel

Nach Bengalen wird verschickt!

Sieh das Lied, es überschreitet

Zeit und Raum, eh' du's gedacht:

Einen Weg von einem Jahre

Macht dies Kindlein Einer Nacht.

Sieh den Zauber jenes Auges,

Das selbst Fromme täuschen muss!

Denn der Schwarzkunst Karawane

Folgt ihm immer auf dem Fuss.

Er stolziert durchnässt vom Schweisse,

Und Jasmine auf der Au

Schämen sich vor Seiner Wange,

Und ihr Schweiss erscheint als Thau.

Lass die Welt dich nicht verlocken!

Dieses alte Mütterlein

Setzt sich voll von Ränken nieder

Und erhebt sich schlau und fein.

Sei nicht wie Sāmĭr gewesen,

Der, als er das Gold geseh'n,

Thöricht sich von Moses wandte,

Um dem Kalbe nachzugeh'n.[417]

Sanfte Frühlingswinde wehen

Aus des König's Rosenhain,

Und in den Pocal der Tulpe

Träuft des Thaues heller Wein.

Lass, Hafis, aus reger Sehnsucht

Nach Sŭltān Ghăjāsĕddīn

Deine Zunge nicht verstummen:

Klage nur bringt dir Gewinn.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 415-419.
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