46.

Jedem Blicke eine Sonne

Strahle deiner Reize Licht!

Schöner noch als selbst die Schönheit

Sei dein schönes Angesicht!

Eines Falken Glanzgefieder,

Einem Huma gleicht dein Haar:

Alle Königsherzen schirme

Dieser Flügel immerdar!

Wer von deinen Locken nimmer

Freudig sich gefesselt fühlt,

Sei, wie deine eig'nen Locken,

Stets verworren und durchwühlt!

Und das Herz, das für dein Antlitz

Nicht entbrennt in Liebesgluth,

Sei getaucht für alle Zeiten

In des eig'nen Busens Blut!

Wenn, o Götze, deine Wimper

Ihren Pfeil vom Bogen schnellt,

Sei's mein wundes Herz, das freudig

Ihm den Schild entgegenhält!

Und wenn einen Kuss verschenket,

Süss wie Zucker, dein Rubin,

Sei der Gaumen meiner Seele

Voll von Zucker stets durch ihn!

Jeden Augenblick erweckest

Frische Liebe du in mir:

D'rum verleihe jede Stunde

Eine and're Schönheit dir!

Innig sehnt Hafisens Seele

Sich nach deinem Angesicht:

O entziehe doch die Blicke

Sehnsuchtsvollen Männern nicht!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 421-423.
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