56.

Die Seele ohne Freund der Seele

Hat Lust nicht an der Welt:

Wem dieser fehlt, von dem ist's sicher,

Dass ihm auch jene fehlt.

Bei Niemand ward von jenem Holden

Ein Zeichen ich gewahr;

Bin ich so blöde, oder wäre

Er aller Zeichen bar?

Auf der Station zufried'nen Lebens

Thut nimmer man Verzicht:

Halt' an, o Karawanenführer!

Der Weg hat Grenzen nicht;

Wie hundert Feuermeere glühet

Hier jeder Tropfen Thau's:

O Jammer! Dies verworr'ne Räthsel

Bringt kein Verstand heraus.

Nicht viele Freude schafft das Leben,

Wenn's uns am Freund gebricht:

Gebricht's am Freund uns, schafft das Leben

Uns viele Freude nicht.

Des Zechens Art und Weise lerne,

O Herz, vom Vogte du:

Berauscht ist er; allein ihm muthet

Kein Sterblicher es zu.

Enthülle keinem Nebenbuhler

Dein Herz; – selbst Kerzen nicht:

Weil's jenen Schelmen, den geköpften,

Am Zungenband gebricht.

Der, den als Meister du erkennest,

– Wenn du es recht besieh'st –

Besitzt zwar, was man Kunst mag nennen,

Doch keinen Vers, der fliesst.[443]

Die Harfe mit gekrümmtem Rücken

Lädt zum Genuss dich ein:

Der Rath, den Greise dir ertheilen,

Wird dir nicht schädlich sein.

Dass einst das Schicksal durch die Winde

Den Schatz Kărūn's geholt,

Das, Freunde, sagt der Rosenknospe:

Sie birgt dann nicht ihr Gold.

Kein Mensch hat einen Knecht hienieden,

Der mit Hafis sich misst:

Kein Mensch hienieden einen König,

Der dir vergleichbar ist.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 441-445.
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