62.

Die frohe Kunde kam, es bleibe

Nicht jeder Tag dem Gram geweiht:

Und weil es jetzt nicht so geblieben,

So bleibt's nicht so in aller Zeit;

Und bin ich in des Freundes Auge,

Dem Staube gleich, gering an Werth,

So bleibt doch auch der Nebenbuhler

Nicht immer sonderlich geehrt;

Und bringt der Pförtner mit dem Schwerte

Die Leute sammt und sonders um,

So bleibt in Zukunft kein Bewohner

In des Hărēmes Heiligthum.

Geniesse froh als einer Beute

Des Falters Liebe, du o Licht!

Denn fängt der Morgen an zu grauen,

So bleibt dir Glanz und Schimmer nicht.

Es brachte mir die frohe Kunde

Ein Engel aus der Geisterwelt:

Kein Sterblicher auf Erden bleibe

Für immer herbem Leid gesellt.

Ist nicht die Klage über Böses,

Wie Dank für Gutes fruchtlos nur?

Bleibt auf dem Blatte dieses Lebens

Von keiner Schrift doch eine Spur.

Man sang im frohen Kreis Dschemschidens

– So klingt darüber der Bericht –:

»Den weingefüllten Becher bringe!

Bleibt Dschem doch selbst hienieden nicht.«

O reicher Mann! Behandle immer

Des Bettlers Herz mit mildem Sinn,

Da keines Silbers Schatz dir bleibet

Und keines Goldes Magazin.[459]

In den smaragd'nen Dom des Himmels

Grub man mit gold'nen Lettern ein:

»Es bleibt von allen ird'schen Dingen

Des Edlen gute That allein.«

Genuss verheissend, gab des Morgens

Die frohe Kunde mir sein Blick,

Es bleibe Niemand für beständig

Gefesselt an das Missgeschick.

Leist' auf des Seelenfreundes Liebe,

Hafis, in keinem Fall Verzicht:

Der Härte Bild, der Unbill Zeichen,

Sie bleiben ja beständig nicht.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 457-461.
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