65.

Fiel in des Glases reinen Spiegel

Dein zarter Wangenwiderschein,

Verfiel in rohe Gier der Weise,

Weil freundlich ihm gelacht der Wein.

Dein schönes Angesicht erglänzte

Im Spiegel nur ein einz'ges Mal,

Und im Gedankenspiegel zeigten

Sich bunte Bilder ohne Zahl.

Wie sollte nicht, gleich einem Zirkel,

Sich rastlos drehen ohne Ziel,

Wer in die Kreise der Bewegung

Verhängnissvoller Tage fiel?

Vorbei ist's, Meister; in der Zelle

Erblickt dein Aug' mich nimmer nun:

Ich habe nur mit Schenkenwangen

Und Becherlippen noch zu thun.

Selbst unter'm Schwerte Seines Grames

Muss tanzend man zum Tode geh'n:

Denn, wer durch Seine Hand gefallen,

Hat sich ein schönes End' erseh'n.

Ging ich vom Bethaus in die Schenke,

Ist's nicht aus eig'ner Wahl gescheh'n:

Ich ward ja im Beginn der Zeiten

Zu solchem Zweck schon auserseh'n.

Die Eifersucht schnitt allen Edlen

Die Zungen ab; wie also kam

Bis in den Mund gemeiner Leute

Mein so geheimer Liebesgram?

Mir Herzverbranntem hat beständig

Er eine neue Huld gewährt;

O blicke doch auf diesen Bettler:

Wie sehr war er der Gnaden werth![471]

Zur Rettung aus des Kinnes Brunnen

Hielt an dein Haar mein Herz sich an:

Ach, aus dem Bronn ist es gekommen,

Jedoch in Netze fiel es dann!

Die Ssofis insgesammt sind Zecher

Und treiben freches Augenspiel:

Drum auch Hafis, der Herzverbrannte,

Durch sie in bösen Ruf verfiel.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 469-473.
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