79.

Kömmt's gleich dem Prediger der Stadt

Nicht leicht zu sagen an:

So lang er Trug und Falschheit übt,

Wird er kein Musulman.

O lerne Zechen und sei mild!

Pocht's auf Verdienst, so irrt

Ein Thier, das niemals Wein geniesst

Und desshalb Mensch nie wird.

Der Name Gottes wirkt von selbst;

O Herz, ermanne dich!

Kein Diw macht durch Betrug und List

Zum Salomone sich.

Empfänglich für den Segen kann

Ein reiner Stoff nur sein:

Zur Perle und Koralle wird

Nicht jeder Thon und Stein.

Stets liebe ich und hoffe drum,

Dass diese edle Kunst,

Nicht wie die ander'n Künste thun,

Nur bringe leeren Dunst.

»Ich gebe« – sprach Er gestern noch –

»Dir morgen, was dich freut.«

Drum lege dich in's Mittel, Gott!

Weil Er es sonst bereut.

Um Sanftmuth des Charakters nur

Fleh' ich zu Gott für dich,

Auf dass nicht wieder mein Gemüth

Durch dich zerstreue sich.

Hafis, so lang' es dem Atom

An hohem Muth gebricht,

Begehrt es nach dem lichten Quell

Der Strahlensonne nicht.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 505-507.
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