83.

Meine schaukelnde Zipresse,

Warum meidet sie das Grün,

Flieht den Umgang mit der Rose

Und vergisst auf den Jasmin?

Nach dem China Seines Haares

Zog mein Herz, das irre, aus,

Und von jener langen Reise

Kehrt's nicht heim in's Vaterhaus.

Hoffend, dir sich zu vereinen,

Hält das Herz die Seele fern,

Die, nach deinem Gau sich sehnend,

Nimmer dient dem Leibe gern.

Vor dem Bogen Seiner Brauen

Weil' ich flehend stets; allein

Straff gespannt hat Er die Sehne

Und kein Ohr will Er mir leih'n.

Gestern gab sein Haar zur Klage

Anlass mir; da scherzte Er:

»Dieser krumme Schwarze horchet

Deinem Worte nimmermehr.«

Bricht der West des Veilchens Haare

In gar viele Falten, ach,

Muss mein Herz da nicht gedenken

Dessen, der die Treue brach?

Wenn mein Schenke, silberwadig,

Hefe nur statt Wein gebracht,

Gibt's da wen, der, gleich dem Glase,

Sich nicht ganz zum Munde macht?

Wohlgeruch entströmt dem Oste;

Wesshalb macht dein reiner Saum

Nimmer zu choten'schem Moschus

Jedes Veilchenbeetes Raum?[515]

In Erstaunen muss mich's setzen,

Macht bei deines Saumes Duft

Zu choten'schem Moschus nimmer

Deinen Staub die Morgenluft.

Zieh' die Hand zurück und lade

Keine Schmach auf meinen Ruhm,

Denn nur meine Thräne wandelt

Thau in 'Aden's Perlen um.

Deine Wimper gab Hafisen,

Der auf Rath nicht hört, den Tod:

Durch das Schwert verdient zu sterben,

Wer nicht achtet auf's Gebot.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 513-517.
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