85.

Heimlich Wein und Lust geniessen,

Was es sei? ein lock'res Thun;

In der Zecher Reihe trat ich:

Mag gescheh'n was immer nun!

Löse deines Herzens Knoten,

Sorglos um des Himmels Lauf;

Einen solchen Knoten löste

Noch kein Geometer auf.

Wenn die Zeit dem Wechsel fröhnet,

So erstaune drüber nicht,

Da das Rad von Millionen

Ähnlicher Geschichten spricht.

Nur mit Ehrfurcht nimm die Becher

In die Hand, denn sie besteh'n

Aus den Schädeln von drei Fürsten:

Kĕïkŏbād, Dschĕmschīd, Bēhmēn.

Wo Kjăwŭs und Kjeï nun weilen,

Wer gibt Kunde wohl davon?

Wer kann sagen, wie die Winde

Fortgeführt Dschĕmschīden's Thron?

Weil Fĕrhad einst für die Lippen

Der Schĭrīn so heiss geglüht,

Seh' ich noch, wie eine Tulpe

Seines Auges Blut' entblüht.

Komm, o komm, dass auf Momente

Wüst ich werde durch den Wein,

Denn ein Schatz in dieser Wüste

Wird vielleicht zum Lohne mein.

Wie das Schicksal treulos walte,

Hat die Tulpe wohl erkannt:

Hält sie doch durch's ganze Leben

Einen Becher in der Hand.[521]

Die Erlaubniss zu betreten,

Einer fernen Reise Pfad

Wehret mir Mossella's Erde

Und der Quell von Rŏknăbād.

Vielen Gram schuf meiner Seele

Seine Liebe; immerhin!

Des Geschickes böses Auge

Treffe dennoch nimmer ihn!

Nimm, so wie Hafis, den Becher

Nur beim Harfenklang zur Hand,

Da man alle Herzensfreude

Nur an Seidenfäden band.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 519-523.
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