18.

Es kam mein Freund in's Maghen-Kloster

– In seiner Hand war ein Pocal –

Von Wein berauscht, so wie die Zecher

Von seiner trunk'nen Augen Strahl;

Am Hufe seines Rosses glänzte

Ein neuer Mond im hellsten Schein,

Und selbst die hohe Pinje schrumpfte

Vor seinem schlanken Wuchse ein.

Was sag' ich denn, ich sei bei Sinnen,

Wenn ich's im Grunde doch nicht bin?

Wie sag' ich denn, ich schau' ihn nimmer?

Blickt doch mein Auge nur auf ihn.

Der Freunde Herzenslicht verlöschte,

Erhob er sich vom Sitz; doch jetzt

Erhebt ein Schrei sich der Verliebten,

Wenn er sich wieder niedersetzt.

Der Bisam hauchet süsse Düfte,

Denn er berührte ja sein Lockenhaar;

Die Brauenschminke wird zum Schützen,

Denn sie umzog sein Brauenpaar.

O kehre heim! dann kehret wieder

Das Leben, das Hafisen schwand,

Wenn gleich der Pfeil nicht wiederkehret,

Der einem Bogen ward entsandt.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 97-99.
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