30.

Nun auf der flachen Hand die Rose

Den Becher klaren Weines schwingt,

Und laut, mit hunderttausend Zungen,

Der Sprosser ihre Reize singt,

Nun ford're du das Buch der Lieder,

Und schlag' des Feldes Strasse ein;

Ist's keine Zeit doch für die Schule

Und für gelehrte Zänkerei'n.

Entsag' dem Umgang mit den Menschen

Und am Ănkā nur spiegle dich:

Denn Ruf und Name, frommer Klausner,

Erstreckt vom Kaf bis zum Kafe sich.

Der Schulregent war gestern trunken,

Und hat den Richterspruch gefällt:

Wein sei verboten zwar, doch besser

Als ungerechtes Stiftungsgeld.

Dir ziemt es nimmer, zu entscheiden,

Ob trüb sei oder klar der Wein:

Denn was der Schenke uns credenzte,

Entquoll ja seiner Huld allein.

Es sind die Männer, die da streiten

Mit mir um gleichen Ehrensold,

Dem Flechter gleich, der seine Matten

Für ein Gewebe hielt aus Gold.

Hafis, verstumme und bewahre

Dein Lied, wie Gold, weil in der Stadt

Falschmünzer wohnen, deren Jeder

Gar eine Wechselstube hat.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 123-125.
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