50.

Ein Rosenblatt von schöner Farbe

Hielt einst ein Sprosser in dem Mund

Und gab, in Wonne ganz versunken,

Die lieblichsten der Klagen kund.

Ich sprach zu ihm: »Was soll die Klage?

Du lebst ja mitten im Genuss!«

Er sprach: »Der Schalksinn der Geliebten

Macht, dass ich also klagen muss.«

Wenn sich der Freund nicht zu uns setzte,

Ist's nicht zu tadeln; denn fürwahr,

Er ist ein glückbetheilter Kaiser

Und schämte sich der Bettlerschaar.

Von uns'rem zarten Fleh'n und Bitten

Ringt sich des Freundes Schönheit los:

Beglückt ist jener Mann zu nennen,

Der zarter Wesen Huld genoss.

Auf! Lasst die Seele hin uns streuen

Zu jenes hohen Malers Preis,

Der diese Wunderbilder alle

Gebannt in seines Zirkels Kreis.

Bist du des Liebespfades Jünger,

Und schilt man dich, was liegt daran?

Denn seine Kutte liess zum Pfande

Im Weinhaus auch Scheïch Ssănăān.

Dem süssen Kălĕndēre Frieden,

Der fest an seiner Satzung hing,

Und der den Rosenkranz gebetet

An eines Christengürtels Ring.

Hier, unterm Köschke jener Huri

Sind beide Augen des Hafis

Mit jenen Strömen zu vergleichen,

Die fliessen unter'm Paradies.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 175-177.
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