65.

Wolle, Herr, den Freund mir wieder

Wohlbehalten senden;

Mache, dass er mich befreie

Aus des Vorwurf's Händen!

Bringet vom gereisten Freunde

Mir die Strassenerde,

Dass mein weltenschauend' Auge

Ihr zum Wohnort werde!

Weh, mir machen von sechs Seiten

Für den Ausweg bange

Antlitz, Maal und Ringellocken,

Flaum, Gestalt und Wange!

Heut', wo ich noch dir gehöre,

Lass Erbarmen walten:

Morgen nützt der Reue Thräne

Nichts dem Staub', dem kalten.

Der du willst von Liebe schwätzen

Überklug und weise!

Nichts hab' ich mit dir zu schaffen;

Glück auf deine Reise!

Armer! Über's Schwert der Freunde

Frommt's dir nicht zu klagen:

Blutgeld nehmen sie von Jenen,

Die sie todt geschlagen.

Schleud're Feuer auf die Kutte,

Weil des Schenken Brauen

Des Imâms Altareswinkel

Kühn in Stücke hauen.

Dich der Grausamkeit zu zeihen

Mag mich Gott bewahren:

Huld und Güte heisst der Holden

Grausames Verfahren.

Spricht Hafis von deinen Haaren,

Ist's nicht kurz; ich wette:

Bis zum Auferstehungstage

Reichet diese Kette.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 211-213.
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