69.

Was des Lebens Werkstatt liefert,

Ist als Nichts nur zu betrachten;

Bringe Wein! denn was die Erde

Bietet, ist für Nichts zu achten.

Des Geliebten edlen Umgang

Suchen Herzen, suchen Seelen:

Denn sonst wäre ja die Seele

Und das Herz für Nichts zu zählen.

Glück ist das nur, was an's Ufer

Ohne Herzensblut wir bringen:

Nichts sind selbst die Himmelsgärten,

Muss man mühsam sie erringen.

Lass den Sidra und den Thuba

Ob des Schattens dich verachten:

Nichts ja ist er, o Zipresse,

Wirst du ihn erst gut betrachten.

Nur fünf flücht'ge Tage wurden

Dir auf dieser Post gegeben:

Nütze sie zur kurzen Ruhe,

Denn ein Nichts sind Zeit und Leben!

An dem Seestrand des Verderbens,

Schenke! harren wir der Stunde;

D'rum geniesse! Nichts ist Alles,

Wie von Lippe hin zum Munde.

Niemals an's Entblättern denkend,

Blicke heiter wie die Rose,

Denn ein Nichts ist ird'sche Grösse,

Trägt Vergänglichkeit im Schoosse.

Frömmler, sei nicht allzu sicher

Vor des Eifers Spiel und denke,

Dass ein Nichts die Strasse scheide

Von der Zelle zu der Schenke.[223]

Viel hab' ich, der gramverbrannte

Abgehärmte Mann ertragen,

Und, in Wahrheit, nichts erheischet

Dies vernehmlich erst zu sagen.

Zwar es hat Hafisens Name

Einen guten Klang bekommen;

Aber nichts kann bei den Zechern

Gutes oder Böses frommen.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 221-225.
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