73.

Ausser deiner Schwelle bin ich

Jeden Zufluchtsort's beraubt,

Habe ausser diesem Thore

Keine Stelle für mein Haupt.

Meinen Schild werf' ich zu Boden,

Zieht der Feind sein rasches Schwert:

Bin ja mit dem Schwert der Klage

Und des Seufzers nur bewehrt.

Wesshalb soll vom Dorf der Schenke

Wenden ich mein Angesicht?

Gibt es doch für mich hienieden

Eine bess're Strasse nicht.

Wird die Garbe meines Lebens

Von des Schicksals Brand verzehrt.

Nun, wohlan! in meinem Auge

Hat sie keines Halmes Werth.

Sklave des so kühnen Auges

Jenes Schlanken nenn' ich mich,

Der, berauscht vom Hochmuthsweine,

Nie auf And're blickt als sich.

Allenthalben droht am Wege

Eine Schlinge mir Gefahr,

Und die einz'ge Zufluchtsstätte

Bietet mir Sein Lockenhaar.

Reite mit gehalt'nem Zügel,

Kaiser du im Schönheitsland!

Denn wo wäre nicht ein Kläger

Aufgestellt am Strassenrand?

Thue Keinem was zu Leide,

Handle sonst wie's dir beliebt,

Weil's nach unserem Gesetze

Keine and're Sünde gibt.[237]

Seinen Fittich hält der Unbild'

Adler um die Stadt gespannt,

Und es liegt kein Klausnerbogen

Und kein Seufzerpfeil zur Hand.

Gib den Herzensschatz Hafisens

Nicht dem Haar und Maale Preis,

Weil denn doch nicht jeder Schwarze

Solch' ein Gut zu hüten weiss.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 235-239.
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