5.

Selig ist das holde Lüftchen,

Das mit Ambra schwanger geht,

Und, von Lust nach dir getrieben,

Schon am frühsten Morgen weht.

Eile, o beglückter Vogel,

Als mein Führer mir voran,

Denn mein Auge schmolz aus Sehnsucht

Jenem Thürstaub bald zu nah'n.

Meiner Harmgestalt gedenkend,

Die da schwimmt im Herzensblut,

Blickt man auf zum neuen Monde

Dort am Rand der Abendgluth.

Kömmt dereinst mit deiner Liebe

An sein Ziel mein Lebenslauf,

Spriesst, statt Gras, aus meinem Grabe

Eine rothe Rose auf.

Athm' ich noch, von dir geschieden?

O der Schmach! Doch du verzeih'st:

Denn was wäre sonst die Tugend,

Die man Schuldvergebung heisst?

Nur allein von deinen Freunden

Lernt die Luft was Liebe sei,

Denn sie reisst am weissen Morgen

Sich das schwarze Kleid entzwei.

Ruf' in deinem zarten Sinne

Nicht so schnell den Unmuth wach,

Weil ja dein Hafis so eben

Erst: »Im Namen Gottes!« sprach.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 503-505.
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