6.

Der du durch Wuchs und Reize

Das Herz entwendet mir!

Du kümmerst dich um Keinen,

Und Alle huld'gen dir.

Bald deinen Pfeil, bald Seufzer

Zieh' aus dem Herzen ich:

Wie sag' ich dir, o Seele,

Was ich schon litt um dich?

Beschrieb' ich Nebenbuhlern

Die Lippen von Rubin?

Frommt nimmer doch den Thoren

Ein schön gefärbter Sinn.

Es mehrt sich deine Schönheit

So oft es wieder tagt,

Drum sich, dir gegenüber,

Der Mond hervor nicht wagt.

Du nahmst das Herz, ich gebe

Auch noch die Seele dir;

Hab' Gram's genug: was schick'st du

Den Gram als Zöllner mir?

Hăfīs, weil du betreten

Der Liebe Heiligthum,

So fasse Ihn beim Saume,

Entsagend Allem drum.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 197-199.
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