2.

Will dir jetzt ein Wörtchen sagen,

Hör' es an, mein Augenlicht:

»Ist dein Glas gefüllt so trinke;

Doch verwehr's auch Ander'n nicht!«

Alte sprechen aus Erfahrung

Und so sprach auch ich zu dir;

Dass du alt auch werdest, Knabe,

Horche, wenn ich rathe, mir!

Den Verständigen schlug in Ketten

Nimmer noch der Liebe Hand:

Willst du Freundeslocken streicheln,

So entsage dem Verstand!

Rosenkranz und Kutte bieten

Dir die Lust des Rausches nie:

Willst du sie erstreben, ford're

Von dem Weinverkäufer sie.

Sparen darf man bei den Freunden

Gut und Leben nimmermehr;

Weih' dem Freunde hundert Seelen,

Hört auf die Ermahnung er.

Auf der Liebe Bahn versuchet

Ahriman uns oft; allein

Merke dir's, nur Engelkunden

Darfst des Herzens Ohr du leih'n!

Blatt und Frucht sind ganz verdorben,

Und der Freude Ton blieb aus:

Harfe, lass die Klage schallen,

Pauke, schalle mit Gebraus!

Dessen Glas von reinem Weine

Leer nie werde, Schenke du,

Sende mir, dem Hefentrinker,

Einen Blick der Gnade zu!

Zieh'st du trunken hin, im Kleide

Reich mit Golde ausgelegt,

So gelobe nur Ein Küsschen

Dem Hafis, der Wollstoff trägt!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 411-413.
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