16.

Hochaufstrebende Zipresse

Mit dem schönen Gange,

Zartgeformter Herzensräuber

Mit der Rosenwange,

Hast mit deinen schlauen Ränken

Mir das Herz gestohlen:

Darum sei's um Gotteswillen

Dir auch anempfohlen!

Seit ich deiner beiden Augen

Zauberkunst ersehen,

Ist's um meines Herzens Ruhe

Und Geduld geschehen.

Schüttelst du die Hyacinthen

Deiner Lockenhaare,

Wird fortan der Moschus selber

Zur gemeinen Waare.

Mache dir den Bruch der Treue

Nimmer zum Gesetze:

Nur nach Treue magst du streben,

O mein schlauer Götze!

Und von Zeit zu Zeit beglücke

Mich mit einem Kusse,

Dass der Lebensbaum dir trage

Früchte zum Genusse!

Staunen überkömmt Hafisen,

Der zu dir nur flehet,

Und auch ohne Gold und Silber

Dir zu Dienste stehet.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 45-47.
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