2.

Lebe ich und trete wieder

Einmal in die Schenke ein,

Will ich, alles And're meidend,

Nur der Zecher Dienst mich weih'n.

O des freudenvollen Tages,

Wenn ich nassen Aug's genaht,

Um die Schenke zu bewässern,

So wie früher ich es that!

Einsicht mangelt diesem Volke:

Gib, o Gott, ein Mittel an,

Wie ich einem ander'n Käufer

Meine Gemme bieten kann.

Schied der Freund auch und verkannte

Gegen mich die alte Pflicht,

Folg' ich dennoch – Gott bewahre! –

Einem ander'n Freunde nicht.

Wenn der Kreis des blauen Himmels

Seiner Gunst mich würdig fand,

Bring' ich Ihn auf and're Weise

Abermals in meine Hand.

Mein Gemüth wünscht zu gesunden:

Doch es hindern's immerdar

Des Geliebten Schelmenblicke

Und sein räuberisches Haar.

Mein verschlossenes Geheimniss

Wurde, sieh, zum Mährchen schon,

Und mit Pauken und mit Flöten

Spricht auf Märkten man davon.

Alle Augenblicke klag' ich,

Weil der Himmel, bösgewillt.

Stündlich nach dem wunden Herzen

Mir mit ander'n Qualen zielt;

Doch in dieser Lage – sag' ich –

Ist Hafis ja nicht allein:

Denn in diesen Sand der Wüste

Sanken viele And're ein.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 5-7.
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