7.

O du, durch dessen Wangenschimmer

Das Tulpenbeet des Lebens glüht!

Komm wieder, da der Lenz des Lebens

Nur durch dein Rosenantlitz blüht!

Es kümmert und es sorgt sich nimmer

Um der Vernichtung Ocean

Wer für den Mittelpunct des Lebens

Als Pünctchen deinen Mund gewann.

Mit vollem Grunde träuft die Thräne

Als Regen mir vom Augenrand,

Da gleich dem Blitz die Zeit des Lebens

Im steten Gram um dich mir schwand.

Lebendig bin ich ohne Leben,

Doch darfst du drob erstaunt nicht sein:

Wer schaltet wohl die Trennungstage

Der Rechnung seines Lebens ein?

Auf allen Seiten gibt's Verstecke,

Aus denen Unglücksheere droh'n:

Drum eilet mit verhängtem Zügel

Des Lebens Reiter schnell davon.

Durch deinen Anblick mich beglücken

Kannst du vielleicht Momente blos:

Benütze sie mein Loos zu fördern,

Denn unklar ist des Lebens Loos.

Wie lang noch wirst du Frühwein trinken

Und schlummern süss beim Morgenstrahl?

Auf! Sei auf deiner Hut! Erwache!

Denn schon entschwand des Lebens Wahl.

An mir vorüber ging Er gestern,

Doch hat Er nicht nach mir geseh'n;

O armes Herz, das nicht genossen

Das Leben im Vorübergeh'n!

Hafis, lass deine Lieder tönen,

Weil auf dem Blatte dieser Welt

Ein Bild, von deinem Rohr gezeichnet,

Als Lebensdenkmal sich erhält.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 19-21.
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