3.

Stets denkt der Sprosser an ein Mittel,

Das ihm der Rose Gunst gewinnt,

So wie im Gegentheil die Rose

Auf Kränkung nur der Liebe sinnt.

Wohl kann nicht Herzensräuber heissen,

Wer Liebende dem Tode weiht;

Doch Herr und Meister ist zu nennen,

Wer mitfühlt eines Dieners Leid.

Mit vollem Recht schlägt blut'ge Wellen

In seinem Herzen der Rubin:

Denn thöricht schätzt man auf dem Markte

Die Glaskoralle mehr als ihn.

Der Sprosser dankt die Kunst des Sanges

Der Rose gnäd'gem Unterricht:

Es tönte sonst aus seinem Schnabel

Ein solcher Schwall von Liedern nicht.

Wohl hundert Herzenskarawanen

Zieh'n jenem Vielgereisten nach;

Bewahre ihn, wo er auch weile,

O Herr, vor jedem Ungemach!

Du, der am Dorfe meines Liebchen

Vorbei zu wandeln sich erlaubt.

Sei auf der Hut, denn seine Mauern

Zerschmettern dir gewiss das Haupt!

Wenn von des Heiles Glück zu sprechen,

O Herz, dir Freude auch gemacht,

So ist doch auch die Liebe heilig:

Drum lass sie nimmer ausser Acht!

Es führt – wenn du dich fern gehalten

Von der Begierden eitlem Wahn –

Zum Heiligthume ihres Anblick's

Dich ohne Zweifel deine Bahn.[95]

Der trunk'ne Ssofi, der die Mütze,

Schief auf den Kopf sich hat gesetzt,

Zerwühlt den Turban sich erst völlig,

Trinkt er noch ein paar Gläser jetzt.

Das Herz Hafisens, dem dein Anblick

Zur freundlichen Gewohnheit ward,

Verzärtelt ist's durch Gunst der Liebe:

Drum schmähe es nicht allzu hart!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 93-97.
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