6.

Will der Gärtner mit der Rose

Durch fünf Tage' Umgang pflegen,

Muss er bei der Trennung Dornen

Die Geduld des Sprossers hegen.

Sollst, o Herz, nicht über Wirren,

Wenn Sein Haar dich fesselt, klagen:

Fällt in's Netz ein kluger Vogel,

Muss er's mit Ergebung tragen.

Diese Wange, diese Locke

Diene nie dem Blick zum Spiele,

Dem das Antlitz des Jasmines

Und der Sünbül Haar gefiele!

Zecher, die die Welt entzünden,

Taugen nicht für die Geschäfte,

Denn die Staatsgeschäfte fordern

Klugen Rath und Urtheilskräfte.

Gottlos ist, wer auf dem Pfade

Sich auf Rath und Wissen stützet.

Weil ja doch bei hundert Gaben

Nur Vertrau'n dem Wand'rer nützet.

Jener trunkenen Narzisse

Steten Trotz muss es ertragen

Dieses wirre Herz, verlangt es

Jener Locke nah' zu schlagen.

Schenke! Zögerst du noch länger

Uns das Glas herum zu reichen?

Kömmt die Reihe an Verliebte,

Muss sie Kettenringen gleichen.

Doch wer ist Hafis, um immer

Nur beim Saitenklang zu zechen?

Kann ein elender Verliebter

Solchen Prunk's sich nicht entbrechen?

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 101-103.
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