12.

Komm, und auf des Weines Strome

Lass mein Schiff von Stapel geh'n

Und in alt- und jungen Seelen

Lauten Jubelruf ersteh'n!

Wirf mich in ein Schiff, o Schenke,

Das mit Wein beladen man,

Denn es heisst ja: »Thue Gutes

Und in's Wasser wirf es dann.«

Da ich von dem Gau der Schenke

Einen falschen Pfad betrat,

O so leite du mich wieder

Gnädig auf den wahren Pfad!

Bring' von jenem rosenfarb'nen

Moschuswein ein Gläschen voll,

Und in's Herz des Rosenwassers

Wirf die Funken: »Neid und Groll!«

Bin ich auch gar wüst und trunken,

Könntest du doch gnädig sein

Und mit einem Blick mein wüstes,

Mein verwirrtes Herz erfreu'n.

Wenn um Mitternacht dich lüstet

Nach der Sonne hellem Licht,

Zieh' der ros'gen Rebentochter

Ihren Schleier vom Gesicht!

Übergib mich nicht der Erde,

Wenn ich einst gestorben bin,

Sondern trag' mich in die Schenke

Und zum Weinfass wirf mich hin!

Wenn, Hafis, des Himmels Härte

Dir zu viel zu dulden gab,

Sende auf den Diw der Leiden

Flammenhelle Pfeile ab!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 71-73.
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