2.

Du, dem der Moschushirsch von China

Den Strassenstaub bezahlt mit Blut,

Und unter dessen schiefer Mütze

Der Sonnenball im Schatten ruht!

Zu arg ward der Narcisse Äugeln;

So komm denn huldvoll du herbei,

Du, dessen schwarzen Auges Blicke

Die Seele selbst geopfert sei!

Trink' immerhin mein Blut; kein Engel

Ist, bei dem Anblick solcher Huld,

Im Stand es über's Herz zu bringen,

Und aufzuzeichnen deine Schuld.

Durch dich erfreut das Volk der Ruhe,

Erfreut des Schlummers sich die Welt:

D'rum wurde auch in Herz und Auge

Ein Ruheplätzchen dir bestellt.

Ich mache mir gar viel zu schaffen

Mit jedem Stern in jeder Nacht,

Aus Sehnsucht dein Gesicht zu schauen,

Das einem Monde gleicht an Pracht,

Die Freunde, die beisammen weilten,

Sie trennten sammt und sonders sich:

Nur ich verblieb an deiner Schwelle,

Dem Zufluchtsort des Glück's für mich.

Hafis, nie mögest du verzweifeln

An Gottes Gnade, weil zuletzt

Der Seufzerrauch aus deinem Busen

Die Garben Gram's in Flammen setzt.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 467-469.
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