5.

Das Veilchen kräuselt sich aus Neid

Schaut es dein Moschushaar;

Die Knospe, wenn du lachst, zerreisst

Sich ihren Schleier gar.

Gib, duft'ge Rose, nicht der Gluth

Mich, deinen Sprosser, preis,

Mich, der die Nacht, die ganze Nacht

Für dich nur betet heiss!

O sieh wie selig Liebe macht,

Denn, stolz und ruhmbeglückt,

Ist es dein Bettler, der sich kühn

Auf's Ohr die Krone drückt.

Ich, den sonst schon ein Engelshauch

In Ungeduld versetzt,

Ertrage dir zu Liebe gern

Der Welt Gerede jetzt.

Dein Thürstaub ist mein Paradies,

Die Liebe mein Geschick,

Dein Wangenlicht mein Element,

Dein Beifall all' mein Glück.

Zwar passt der Tugend Kutte nicht

Zu vollen Gläsern Wein's,

Allein, in Leidenschaft zu dir,

Verschmelz' ich sie in Eins.

Des Liebesbettlers Kutte birgt

Im Ärmel einen Schatz,

Und, wer dein Bettler ist, besteigt

Im Nu den Herrscherplatz.

Der Wohnsitz deines Bildes ist

Mein Augen-Schāhnĭschīn:

Ein Betort ist es, o mein Schah;

Nie fehle du darin![477]

Mir schwinden Rausch und Liebeslust

Nicht aus dem Haupt, bevor

Dies heisse Haupt als Staub nicht ruht

An deines Hauses Thor.

Dein Antlitz ist ein Wiesenfeld,

Besonders wenn Hafis

Im Lenze deiner Schönheit dich,

Als Sprosser, singend pries.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 475-479.
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