9.

Sprich vom Freunde mir, o Bote,

Der nur wahre Kunde bringt;

Von der Rose sprich dem Sprosser

Der so schöne Lieder singt!

Sorge nicht; in das Geheimniss

Bin ich ja schon eingeweiht:

D'rum mit dem vertrauten Freunde

Sprich ein Wort der Traulichkeit!

Lies die Briefe jenes Reichen

Diesem armen Manne vor,

Und von jenem hohen Kaiser

Sprich zu dieses Bettlers Ohr!

Als Er aus dem Lockennetze

Herzen streute auf die Bahn,

Sprich wie's meinem armen Fremdling

In der Luft ergangen dann?

Führt an jenes Thor des Glückes

Wieder einst die Strasse dich,

So bezeig' erst deine Ehrfurcht,

Bringe Wünsche dar und sprich:

»Gleich sind Arme sich und Reiche

Wandelnd auf der Liebe Bahn:

Sprich darum, o Schönheitskaiser,

Immerhin den Bettler an.«

Jedem, der als Augenschminke

Seines Freundes Thürstaub preist,

Sage: »Sprich denn diese Worte

Offen mir in's Aug' und dreist!«

Und dem Ssofi, der die Thore

Zu den Schenken mir verschliesst,

Sage: »Sprich von solchen Dingen

Wenn mein Wirth zugegen ist.«[487]

Jener Wein, der in dem Kruge

Jetzt des Ssofi Herz bestrickt,

Schenke, sprich, wann kömmt die Stunde

Wo er durch die Gläser blickt?

Als Er in Verwirrung brachte

Jenes moschusduft'ge Haar,

Ostwind, sprich was mich betreffend

Damals Seine Absicht war?

Gestern weinte, als ich klagte,

Auch der Vogel auf der Flur;

Ostwind, sprich was vorgefallen?

Endlich weisst ja du es nur.

Die Erzählung weiser Männer

Ist es, die die Seele nährt:

Geh' und frag' und, wiederkehrend,

Sprich von dem was sie gelehrt.

Wäre ich auch noch so böse,

Schilt mich desshalb nicht zu hart:

Sprich von eines Bettlers Sünde

Nachsichtsvoll, nach Königsart!

Gibt, Hafis, man dir Erlaubniss

Ihm zu nah'n, so trinke Wein,

Und zum Trug sprich Gott zu Liebe:

»Nichts mehr haben wir gemein!«

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 485-489.
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