II

[74] Feenhaft strahlten die hellerleuchteten Fenster herab in die dunkle Straße, die von ihrem Abglanz erhellt wurde, und rauschend, und seinen Sinn zur Fröhlichkeit auffodernd, tönte die Ballmusik durch die stille, schweigende Nacht.

Schon halb erheitert sprang er aus dem Wagen und eilte hinauf. Aber befremdend blieb er einige Augenblicke am Eingang stehn, denn kein Empfang begrüßte ihn, niemand kam ihm entgegen, und selbst die Bedienten schienen in Zuschauer verwandelt zu seyn.

Alles drängte sich, einen weiten Kreis in der Mitte des Saals umschließend, diesem, innerhalb desselben es unverkennbar etwas vorzügliches zu sehen gab, so nahe, wie nur immer möglich zu kommen. Selbst die Spielenden, sonst so fest[74] an ihre Plätze gebannt, daß kaum ein Erdbeben sie hätte in Bewegung bringen können, waren aufgestanden, und hatten ihre Tische verlassen, und rings an den Wänden war man sogar auf Stühle gestiegen, um nur nichts von dem Schauspiel zu verlieren, das unbekannter weise auch seine Neugierde zu erregen begann.

Endlich wurde ihn die Frau des Hauses gewahr, und winkte ihn zu sich. Der Platz an ihrer Seite vergönnte ihm, einen Blick in das Allerheiligste des Saals zu thun, und er sah, von einem seiner Freunde und von einer fremden Dame einen französischen Contretanz mit einer Leichtigkeit und Vollkommenheit aufführen, die er noch nie in diesem Maaße an einem weiblichen Wesen wahrgenommen hatte.

Ihre blendende Schönheit, und das Edle ihres Wuchses und ihrer Haltung nebst ihrer einfachen, aber reichen Kleidung erhöhte noch das Entzücken, das ihre Kunst gewährte, und staunend stand er, in Bewunderung verloren, und wagte kaum zu athmen, aus Furcht, es möchte irgend eine Bewegung dieser Grazie ihm entschlüpfen.

Endlich war der Tanz geendigt. Stolz auf das Recht, sich ihr nähern zu dürfen, gab ihr Tänzer ihr den Arm, sie nach einem Sitze zu führen und ehrerbietig wich die Menge aus einander sie hindurch zu lassen, während alle Blicke bewundernd[75] auf ihr ruhten, alle Hände rauschend ihr Beifall klatschten.

Ihr Gesicht war ein wenig seitwärts gewandt, als sie an Alexandern vorüberging. Er sah nur einen Theil des ausdrucksvollen Profils, nur den blendend weißen Nacken, um den große Diamanten sich reihten, mehr Zierde von ihm empfangend, als sie zu geben vermochten, nur den Silphidenwuchs, der bei aller lieblichen Fülle der Jugend und Gesundheit doch durch die Anmuth mit der sie sich trug und bewegte, so ätherisch erschien, als schwebe ihr Fuß einher, statt die Erde zu berühren.

Länger konnte er sein Verlangen nicht bezwingen, zu erfahren, wer diese wundervolle Erscheinung sei, und er wandte sich mit dieser Frage an die Gräfin, neben der er noch immer stand.

Sehen Sie, so bestraft sichs, erwiederte diese scherzhaft, wenn Sie mit der Stadt boudiren, und ihr den Rücken kehren. Dieser neue Stern ist während Ihrer Abwesenheit an unserem Himmel aufgegangen – nehmen Sie sich nur in Acht, lieber Norbeck, daß Ihre hochgepriesene Freiheit nicht die Flügel an seiner Glorie versengt.

Ein schmerzlich süßes Weh zuckte bei diesen Worten durch seine Brust. Ihm war, als wäre ihm die Weissagung einer Prophetin erklungen, und ein Schauer ganz eigener Art rieselte durch[76] alle seine Nerven. Doch noch immer blieb seine Neugier ungestillt – noch einmal wiederholte er seine Frage nach dem Namen des liebenswürdigen Fremdlings – aber wie unbegränzt war sein Erstaunen als die Antwort ihm – Erna von Willfried nannte.

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Charlotte von Ahlefeld: Erna. Altona 1820, S. 74-77.
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