Quartett

[294] Im Kaffee Landtmann.

An einem Tischchen der berühmte moderne Architekt Adolf Loos und seine wunderschöne, unbeschreiblich milde und ergebene ›pathologisch‹, bleiche, goldhaarige Ottegebe, Frau –. Dann Frl. H. und ich. Plötzlich fährt A.L. das arme Frl. H. an zischend wie eine sich aufrecht stellende Kreuzotter in sonniger Bergwiese: »Sie, Fräulein, Das geht eben nicht an unserem Tische, so ein falsches, fast irritierendes Wiener Werkstätten-Band, schwarz-weiße Kricksel-Kracksel auf Seide, als Krawatte zu tragen!«

»Du, Loos, höre auf, eine Unverschämtheit, sie ist weder Deine Freundin noch Deine Geliebte, noch[294] interessierst Du Dich für sie. Mit welchem Rechte also diese bübische Schulmeisterei?! Schreibe es öffentlich in Bücher, aber sprich es nicht privat!«

Sie: »Und besonders, da ich doch gar nichts dafür kann, daß mir gerade dieses Band so sehr gefällt, ja, bitte, es ist von allen meinen Bändern als Krawatte zu tragen sogar mein Lieblingsband!«

»Pardon, Das dürfen Sie jetzt nicht sagen, sonst hat A.L. wirklich recht. In unserer Gesellschaft hätten Sie es eben längst lernen sollen, schon durch meine gestrickten seidenen einfarbigen Krawatten, daß bei uns bereits ein höherer, einfacherer, also menschlich-freierer Geschmack herrsche! Weshalb schließen Sie sich dann so innig an uns an, wenn Sie nicht die Absicht oder die Lust haben oder die Fähigkeit, davon irgendwie zu profitieren?!?«

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 294-295.
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Mein Lebensabend: [Reprint der Originalausgabe von 1919]