Weshalb?!

[15] Weshalb haben die modernen Menschen, die sogenannt modernen Menschen, diese »hysterische« Art, das ihnen von Schicksals Gnaden Verliehene, in irgend einer Richtung, absichtlich zu steigern, nicht mit dem ihnen »Gebührenden« zufrieden zu sein?!? Ist das vielleicht der »gesunde Ansporn«, alle seine vorhandenen Kräfte organisch-selbstverständlich-leicht-graziös auszunützen?! Keineswegs. Es »hemmt« die Leichtigkeit deiner Maschinerie. Gehe, oh Kultivierter, so leichtbeschwingt, so unbeschwert[15] vom Irdischen wie Du eben noch gehen, gleiten kannst, aber versuche es nicht, leichtbeschwingter zu sein als Deiner »Maschinerie« gebührt!

Meines Vaters Glück war ein Gläschen echten »Benediktiner« nach der Mahlzeit, eine Trabukko und 6 Wochen Ferien auf der Lakaboden-Alm. Niemals erhoffte er sich mehr, betrachtete schon Das als eine »Fügung gnädigsten Schicksals«!

Immer sagt man zu mir: »Ach, machen Sie sich doch mal an einen modernen Einakter ran, Das müßte doch gerade Ihrer Eigenart famos liegen, und es ist doch ganz was Anderes wie bloß Skizzen!« Die einzige Anständigkeit und infolgedessen Gescheitheit ist aber, seinen Kräften gemäß zu funktionieren. »Volldampf« ist nur für Genies, und auch für diese eigentlich nicht. Mit »kraft-genialischen Reiterstückeln« kann man eventuell Frauenherzen (ich höre: Herzen?!?) gewinnen, aber nicht die Welt! Jeder trage, wie Ameisen und Bienen, naturgemäß, Schicksals-gemäß, also genial-bescheiden, zum Gesamt-Baue bei! Nicht mehr wollen als man kann, ist bereits genial. Ehrgeiz darf nichts anderes sein wie »Inanspruchnahme« der überschüssigen Kräfte seiner »Maschinerie«! Schiller speziell konnte den »Wallenstein« gar nicht nicht schreiben! Alles in ihm zwang ihn dazu. Es wäre ihm viel quälender gewesen, diese »Trilogie« nicht zu schreiben als einem Idioten, sie zu schreiben! Die »Bürde« eines ganzen Frauenlebens, eines Frauenschicksals auf sich zu nehmen, muß Einem viel leichter, ja sogar bequemer sein als es nicht auf sich zu nehmen![16] Sonst ist man ja kein »Weiser«, also ein »Gefoppter«! Was man tut oder unterläßt muß innerhalb der Grenzen, die die »Maschinerie« uns setzt, getan oder unterlassen werden! Lasse doch also gefälligst alle Pläne, Hoffnungen, Träume, Ehrgeize Deines Gehirnes, Deiner Seele (»ich will meinen alten Eltern Ehre antun, sie sollen sehen, daß sie Mühe und Geld nicht umsonst geopfert haben!«) und beschäftige Dich, träumerischer Sünder, lieber damit, Deine »Maschinerie« in höchster Spannkraft durch Deine »physiologische« Lebensweise zu erhalten: vor Sonnenaufgang wach, mit Sonnenuntergang zu Bette, leicht verdaulichste Nahrung (Bohnen-Püree) etc. etc. etc. Zäume das Roß nicht von hinten auf, mit schlechtrassigem teuflisch-lächerlichem Ehrgeiz (Familien-Größenwahn im Mikrokosmos), sondern sorge dafür, bewußten Geistes, daß die Schrauben, Schräubchen, Ventile, Rädchen, bei Dir »klappen« und »in Ordnung« sind!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 15-17.
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