[148] Tausende leben verschwiegen. Alle ihre Schätze der Seele behalten sie verschwiegen für sich wie der Geizhals. In der »Diskretion« suchen sie feig Schutz gegen vermeintliche Gefahren, verkriechen sich in das Dickicht ihrer selbst. Nie stürmen sie in die offene Feldschlacht des Lebens, gerne bereit, mit tausend tückischen Wunden den ehrlichen Kampf zu bezahlen! Immer vertrauen sie lieber dem »Panzer der Lüge«, in jeder Beziehung! Wieviel vergebliche Kniffe, um sich und den anderen nicht einzugestehen, daß z.B. die geliebteste Frau eigentlich »auf sie pfeife« – – –. Immer ein Hokus Pokus, mehr oder minder geschickt durchgeführt, um seine »verletzte Eitelkeit« zu restaurieren auf Kosten der Wahrheit! An und für sich sind sie eben nichts; sie leben wie Parasiten von den »seelischen Kräften der anderen«: »Sie liebt mich, also bin ich« ist ihre feig verlogene Devise! Es müßte natürlich lauten: »Ich liebe sie, also bin ich!« Aber dazu haben sie eben zu wenig seelische Kräfte mitbekommen. Sie können daher nicht gebend leben, sondern nur empfangend! Sie suchen Zeugnisse dafür, daß sie nicht »leere Gehirne«, nicht »leere Herzen« sind, die sie doch eben deshalb sind, weil sie die »Zeugnisse dafür brauchen! Ihren berechtigten »Kleinheitswahn« möchten sie umsetzen in unberechtigten »Größenwahn«, auf Kosten dummer momentan empfänglicher gutmütiger Frauen! Aber sie irren sich! Die armen Frauen fühlen instinktiv diese gemeinen[148] Manöver, geben sich momentan hin, ziehen sich aber innerlich wenigstens rechtzeitig zurück von dem, der sie als Krücke ausnützt seines humpelnden Selbstbewußtseins!
Ich schrieb schon im Gymnasium in mein Heft: »Eine Frau, der ich einst ihr Alles sein werde, armseligstes Wesen! Ich werde die günstige Konstellation ausnützen und sie aber zugleich tief verachten und vor allem belächeln! Wer bin ich, daß man mich wirklich lieb haben dürfte?!?«
Diskretion der Seele ist, alle Dinge nur so weit zu fühlen und zu bedenken, als sie einem noch »in den Kram passen«! Und in den Kram der anderen!
Der »innerlich Indiskrete« sucht die Wahrhaftigkeit auf Kosten seines Glückes. Sein Glück ist eben die Wahrhaftigkeit! Der Vogel Strauß jedoch verbirgt »diskret« den Kopf in den Sand, wenn er verloren ist.[149]
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Märchen des Lebens
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