Masken
(Zu einem Maskenspiele im Kabarett »Fledermaus«)

[192] Die Philosophin:

Immer, o Nachbar, erschaust du doch nur einen tausendsten Teil unseres wirklichen Wesens – –

Könntest du ganz uns schau'n, erkenntest du sicher uns nicht!


Die Wissbegierige:

Ich bitte Sie, was ist denn »Groteske«?!?

Das, was das Leben uns zwingt, aufzugeben von unserer wahren Natur!


Die Kokette;

Mit dem Leben spielen können, ist künstlerisch – –

Es bleiben genug dir Ausruhestunden für deinen komischen Ernst!


Die Komplizierte:

Ohne die Masken sind wir nur Masken! Zur Einfachheit verzerrt und übertrieben erfaßlich für den gemeinen Verstand!


Die Tänzerin:

Ich bin nur Anmut und Würde! Nie sollte ich fühlen und denken! Es degradiert meine Art! Aber ich muß auch leben – – So bin ich denn privatim eine verständige Frau!
[192]

Die Tragödin:

Woran, ach, bei Dichtern erst Frauenherzen zugrund' gehn!?!

SchablonenSchmerzen muß ich verlogen mich weihn!

Meine Tragödien sind zu jeglicher Stunde des Tages und unaufführbar! Und meine Dichter sind noch nicht geboren!


Die Dichterin:

So lange ich schweigend sinne, bin ich ein wirklicher Dichter!

Wo der Mensch mit seinen Mitteln versagt, beginnt erst die göttliche Seele deutlich zu tönen!


Die Malerin:

In mir wohnt der göttliche Maler, mein Auge!

Widerspiegelnd die Dinge der Welt!

Aber vom Auge zur Hand ist der Weg allzulange – –

Blühende Wiesen verdorren zur Wüste!


Die Weltdame:

Sehet, in mir schluchzt ewig ein malträtiertes Kindchen – –

Aber das Rauschen meiner Seide übertönt es!
[193]

Der Chorus:

Seht ihr in uns nur ein wüstes Farbengetändel?!?

Wir können's nicht hindern – –

Ist's mit Geschmack gemacht, lebt es auch ohne Idee!

Josef Hoffmann gewidmet

im September 1907[194]

Quelle:
Peter Altenberg: Märchen des Lebens. Berlin 7–81924, S. 192-195.
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