Sie ruft die heilige Dreifaltigkeit an

[342] 1

Hochheilige Dreifaltigkeit,

Die du so süß und milde

Mich hast geschaffen in der Zeit

Zu deinem Ebenbilde,

Ich liebe dich von Herzensgrund,

Ich preise dich mit meinem Mund.

Komm doch, komm und zeuch ein bei mir,

Mach Wohnung und bereit mich dir.
[342]

2

Gott Vater, nimm ganz kräftig ein

Das sinkende Gemüte,

Mach es zu deinem innern Schrein

Und deiner stillen Hütte.

Vergib, daß mein Gedächtnis sich

Zerstreut hat oft und sündiglich.

Bring es in eine wahre Ruh,

Daß nichts in ihm sei als nur du.


3

Gott Sohn, erleuchte den Verstand

Mit deiner Weisheit Lichte,

Vergib, daß er sich oft gewandt

Zu eitelem Gedichte.

Laß nunmehr nur in deinem Schein

Mein einzigs Schaun und Wirken sein.

Zeuch ihn, daß er schon allbereit

Verzückt steh über Ort und Zeit.


4

Gott heilger Geist, du Liebesfeur,

Entzünde meinen Willen.

Stärk ihn, komm mir zu Hilf und Steur,

Den deinen zu erfüllen.

Vergib, daß ich so oft gewollt,

Was sündlich ist und nicht gesollt,

Verleih, daß ich mit reiner Brunst

Dich aufrecht ewig lieb umsunst.


5

O heilige Dreifaltigkeit,

Führ mich doch ganz von hinnen.

Zeuch zu dir in dein Ewigkeit

All äußr und innre Sinnen.[343]

Vereinige mich, laß mich hier

Eins mit dir sein, daß ich mit dir

Auch dort sei eine Herrlichkeit,

O heiligste Dreifaltigkeit.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 342-344.
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