[257] 1
Der Frühling kommt heran,
Der holde Blumenmann,
Es geht schon Feld und Anger
Mit seiner Schönheit schwanger.
Der Blütenfeind, der Nord,
Steht auf und macht sich fort.
Das Turteltäubelein
Laßt hörn die Seufzerlein.
2
Die Lerch ist aus der Gruft
Und zieret Feld und Luft
Mit ihrem Direlieren,
Das sie so schön kann führen.
Die Künstlern Nachtigall
Lockt und zickt überall.
Die Vöglein jung und alt
Sind munter in dem Wald.
3
Die Sonne führet schon
Ihr'n freudenreichen Thron
Durch ihre güldnen Pferde
Viel näher zu der Erde.[257]
Die Wälder ziehn sich an
Und stecken auf ihr Fahn.
Der Westwind küßt das Laub
Und reucht nach Blumenraub.
4
Das Wild lauft hin und her
Die Läng und auch die Quer.
Es tanzen alle Wälder,
Es hüpfen alle Felder.
Das liebe Wollenvieh,
Das weidet sich nun früh.
Die stumme Schuppenschar
Schwimmt wieder offenbar.
5
Die ganze Kreatur
Wird anderer Natur.
Die Erde wird verneuet,
Das Wasser wird erfreuet,
Die Luft ist lind und weich,
Warm, tau- und regenreich.
Der Himmel lacht uns an,
So schön er immer kann.
6
Drum kreuch auch meine Seel
Herfür aus deiner Höhl.
Laß deines Herzens Erden
Zu einem Frühling werden.
Zertritt Gefröst und Eis
Und werd ein grüner Reis.
Sei eine neue Welt
Und tugendvolles Feld.
7
Laß deine Seufzer gehn
Mit lieblichem Getön.[258]
Laß hören dein Verlangen,
Den Bräutgam zu empfangen.
Sei eine Nachtigall,
Und lock mit Liebesschall
Der Himmel höchste Zier,
Den süßen Gott, zu dir.
8
Schwing dich behend und fein,
Gleich wie ein Lerchelein,
Vom irdischen Getümmel
Und schwebe frei im Himmel.
Bereite dich mit Klang
Und stetem Lobgesang,
Den Schöpfer zu verehrn
Und seinen Ruhm zu mehrn.
9
Es fähret schon herein
Sein gnädger Sonnenschein.
Er läßt schon seine Strahlen
Dein ganzes Herz bemalen.
Sein Geist, der süße Wind,
Weht schon dich an, sein Kind.
Drum blüh in seiner Lieb
Und folge seinem Trieb.
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