Die Psyche begehrt ganz und gar zu Gott

[269] 1

Du tausendliebster Gott, mein innigstes Verlangen,

Mein ewges Freudenlicht, das mir mein Herz gefangen,

Nimm mich doch ganz zu dir,

Mein einzige Begier,

Nimm mich doch ganz zu dir.


2

Du Abgrund meines Geists, du Räuber meiner Sinnen,

Du zuckersüßer Tod, der mich nun führt von hinnen,

Nimm mich doch ganz zu dir,

Mein einzige Begier,

Nimm mich doch ganz zu dir.


3

Du höchst gesuchter Schatz, du liebelichstes Leben,

Du ganz begierlichs Gut, dem ich mich muß ergeben,

Nimm mich doch ganz zu dir,

Mein einzige Begier,

Nimm mich doch ganz zu dir.


4

Du hohes Freudenmeer, du Brunnquell aller Lüste,

Du aller Geister Ruh, du angenehme Wüste,

Nimm mich doch ganz zu dir,

Mein einzige Begier,

Nimm mich doch ganz zu dir.


5

Du innigs Paradeis, du unvergleichlichs Wesen,

Du einger Lebensbrunn, in dem ich muß genesen,

Nimm mich doch ganz zu dir,

Mein einzige Begier,

Nimm mich doch ganz zu dir.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 269-270.
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