[9] PYRAMUS.
Hilff Godt wo soll ich armer hin?
Mir ist so bang in meinem sin.
Ich weiss nicht, wass mir bei sein mag,
Mir ist Ja bissher all mein tag
Noch nie also zu mut gewesn.
Ach Godt wie sol ich doch genesn?
Ein trewer Ertzte muss ess sein,
Der mir sol lindern diese pein.
Her Godt, schick mir ein Solchen zu,
Damit ich Komme balt zu Ruh.
Mich dunckt, ein pfeil steck in meim Hertz,
Derselb mir machet solchen schmertz,
Doch gleichwol hab ich nicht vernomn,
Woh mir ein pfeil solt her sein Komn.
Ich bin Ja nirgend ietz verwundt.
Mein leib ist heil, frisch vnd gesundt.
Wolt godt das ich nur wundt mucht sein,
So Kunt man dem furkommen fein:
Den hie ist ein berumpte Stadt,
Darinnen man viel Ertzten hat,
Die Konten mir ihm Radt mitteiln
Vnd durch ihr Kunst mein Wunden heiln.
Nun aber weiss ich zwar nicht wol,
Wie ichs doch immer machen sol,
Weil ich empfinde solchen schmertz
Inwendig nur in meinem hertz.
Doch wen ichs endtlich rahten solt,
Wass gilts, ob ichs nicht treffen wolt?
Wohr mir diess vngluck her sei Komn?
Ich hab von vielen offt vernomn,[9]
Dass sie gross leidt auch hettn ertragn,
Wen venus sie hett bgundt zu plagn.
Dieselbe scheust mit ihrem pfeill
Ins hertz ein wundt, welch nicht wirt heil,
Biss man sein lieb gestillet hab.
Da nem ich selbs nun auch von ab,
Ich muss davon getroffen sein,
Weil ich so leid im hertzen pein.
Ess ist auch zwar nicht vber lang,
Dass mich der schmertz Erst so bezwang.
Ess wohnet hie zur Rechten handt
Ein Jungfraw, doch mir vmbekant.
Ihr Eltern vnd die Eltern mein
Allzeit gut freund gewesen sein.
Gleichwol mir nicht gelingen Kan,
Dass ich sie nur mucht reden an.
Wen ich die warheit sagen sol,
Ihr sitten mir gefallen wol.
Furwar ich mucht in Zucht vnd Ehrn
Sie wol zum Ehgemahl begern.
Glaub auch, dass dieser Schmertze mir
Alleine Komme her von ihr.
Sie ist gar from vnd tugentreich,
An Schön ist ihr auch Keine gleich.
Solchs ich doch nur alleine hab
Von ihren sitten genommen ab.
Allein dass ligt mir fast sehr an,
Dass ich mit ihr nicht reden Kan.
Ach sich, da geht sie eben her,
Nach welcher steht al mein beger,
Wie freundlich ist doch ihr gesicht,
Schönr bild hab ich gesehen nicht.
Wie steht ihr doch der gang so fein.
Wolt Godt sie mucht mein eigen sein.
Noch muss ich sie nicht reden an,
Dass volck wolt mirs fur ubel han,
Wen ich alhie mich auff der gassn
Gegn ihr mich wolt so mercken lassn.
Diessmahl wil ich mich noch enthaltn
Vnd lassens godt den herren waltn.
Vnd wil mich machen hin zu hauss,[10]
Auch nicht von dannen gehn herauss,
Bis ich Godt hab gebetn mit fleiss,
Dass er mir mittl vnd wege weiss,
Dadurch ich sie mug reden an
Vnd sie mein meinung wissen lahn.
Ich hoff, Godt wirt mich nicht verlassn,
Drauff wil ich auch ein hertze fassn.
Buchempfehlung
Autobiografisches aus dem besonderen Verhältnis der Autorin zu Franz Grillparzer, der sie vor ihrem großen Erfolg immerwieder zum weiteren Schreiben ermutigt hatte.
40 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro