Scena 6.

[72] Sophia. Eüsebia. Memphus. Justicolus. Placidus. Nimrodus. Maestidicus.


SOPHIA.

Nun wil mein leid auffs new angehn,

Wen ich daheime werde sehn,

Wass meiner Tochter zugestandn,

Alss sie bei mir noch war verhandn.

Ach Künt ich sie vom Tod mit goldt

Errettn, ich gar nichts Sparen wolt.

EUSEBIA.

Ey Nachbarin, wie thut ihr doch?

Wil den mein trost nicht helfen noch?

Ihr musst das Clagend geben an,

Solchs Thisbe selbs wil von euch hau.

Ein wenig Clagen ist wol fein,

Abr gar verzweiffeln muss nicht sein.

SOPHIA.

Ja Nachbarin, ihr Könnt wol sagn,

Dass ich mein Tochtr nicht solt beclagn.

Wens abr auch Kem fur Ewre thür,

Dass euch ein solches wiederfür,

So wurdet ihr mir geben recht,

Dass mans so nicht Kan lassen schlecht.

MEMPHUS.

Nun mügn wir gehn ein iedr zu hauss,

Diess wil doch nirgend sonst hinauss.

Vnsr Kinder wolln im grab wol bleibn,

Wir mussn im leid dass lebn vertreibn.

JUSTICOLUS.

Ach Memphe, fasset nur ein hertz

Vnd lasset faren allen schmertz.

Diess wil also wol bleiben nun.

Mit Klagen Könnt ihr gar nichts thun.

NIMRODUS.

Ihr Herren Hört wass ich euch sag[72]

Ess ist nun fast zum End der tag,

Drumb bitt ich, geht mit mir hinein

Ein Stund wolln wir beinander sein

Vnd einr dem Andern trost beweisn,

Daneben vnsern Godt auch preisn,

Dass er sie hat so hingenomn,

Dass sie allm vngluck sein entkomn.

Vnd Bitten Godt von hertzengrundt.

Dass balt mug Komn auch vnser stundt.

Wie euch dasselbe nun gefall,

Davon Sagt mir ewr meinung all.

MAESTIDICUS.

Ja Nachbar, mir gefellt ess wol,

Dass man Godt dafur preisen sol,

Dass er sie hat genomen hin

Vnd dass euch nun ist So zu sinn,

Dass ihr euch Könnt zufrieden gebn

Vnd machn euch selbst nicht sawr Ewr lebn.

Ich wil auch mit euch gehn inss hauss,

So fern sonst Keinr sich zeucht hierauss.

MEMPHÜS.

Ich geh wol mit ein Kleine zeit.

JUSTICOLUS.

Zu folgen bin ich auch bereit.

NIMRODUS.

Wollan, so folget mir hernach

Jetz alsobalt in diess gemach.

PLACIDUS.

Diess mal Kan ich nicht bei euch sein,

Mich hindern die gescheffte mein.

Drumb ich ietz hin zu hause geh

Vnd seh wiess vmb die meinen steh.

NIMRODUS.

Ach nicht doch: Geht mit vns hinein.

Wollt ihr vns lassen nun allein?

PLACIDUS.

Ess war mir Sonsten nicht zu mut,

Doch weil ihr noch anhalten thut,[73]

So geht nur hin in ewr gemach,

Ich wil euch ietzundt folgen Nach.


Post abitum reliquorum ad spectatores sermone converso Placidus dicat.


Ihr gute herrn, dass Spiel ist auss,

Drumb müget ihr wol gehn zu hauss.

Wass in der Beigrafft wirtt geschehn,

Werdt ihr nicht hören oder sehn.

Darumb durfft ihr hie harren nicht,

Ess wirt darinnen alls verrichtt.

Habt aber danck, dass ihr so fein

Erschienen seit hie allgemein.

Wir wolln auch wieder danckbar sein.[74]

Quelle:
Drei deutsche Pyramus-Thisbe-Spiele. Tübingen 1911, S. 72-75.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Titan

Titan

Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.

546 Seiten, 18.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon